Wiegenlied (nach der Stunde X)
Sah´ ein Vöglein im Grase liegen,
niemals mehr wird’s
am Himmel fliegen,
denn die Luft ist dick und schwer
und der Himmel ist so leer.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
So wie in diesem Trümmerfeld
ist es auf der ganzen Welt.
Die Ruinen, schwarz verbrannt,
war´n als schöne Städt’ bekannt.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
Ob durch Bomben, Gas und and’res
Kriegsgerät
oder Radioaktivität,
es kam der Tod mal laut, mal leise,
jeder starb auf seine Weise.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
Und die Toten in den Ländern
können jetzt auch nichts mehr ändern,
denn es herrscht gar
große Not,
noch geht um Gevatter Tod.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
Es sterben nun die ganzen Menschen
an Hunger, Schock und Pestilenzen
und der ätzend- verseuchte Regen
wird uns nun den Rest wohl geben.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
Wohin soll’n wir denn nur geh’n,
du wirst die Sonn’ doch
niemals seh’n.
Ach, das Leben rings umher
ist nicht mehr - ist nicht mehr.
Schlafe, Kindlein, schlafe ein
wirst wohl bald auch du tot sein,
Ich fühl´ noch deine warmen
Hände,
kommt auch schon des Totenmannes Sense.
Warum hab´ ich dich geboren,
kriecht doch nur der Tod in deine
Poren
Sag, warum bist do so kalt und bleich
?
Oh, mein Gott, ich halt´ ´ne
Leich.
Schlafe, Kindlein, eviglich
Erloschen ist dein Lebenslicht,
und nah´ ist auch mein eig´nes
Ende,
fühl´ ich schon des Totenmannes
Sense.