Meine Heimatstadt (Hamburg)

Ich war 16 Jahr’, dann wurde es endlich wahr,
ich fuhr ‘raus,
aus diesem kleinen Kaff, voller Enge und Tratsch
in die Stadt,
und gleich ab Hauptbahnhof, da geht das Leben los,
dachte ich mir,
hier schert sich keiner ‘drum, hier guckt sich keiner um
was du machst-
in dieser fremden Stadt

Ich roch die schwere Luft, welch ein herrlicher Duft
und wußte gleich,
daß sich’s hier leben läßt, wie auf ‘nem großen Fest,
ungestört und frei.
Selbst die Nacht ist hell, manchmal etwas grell,
aber immer bunt, voller Musik und Lichter, und vieler Gesichter,
Hippies, Punx und Freaks-
in dieser neuen Stadt

Wir zogen in ein großes Haus, ich guckte häufig ‘raus,
ich wußte noch nicht,
daß’s keine Gemeinschaft gibt, daß man Kontakte nicht liebt,
sondern Anonymität.
Man kennt den Nachbarn nicht, gerade das Gesicht,
man bleibt sich fremd, man weicht sich aus,
geht nur selten ‘raus,
bleibt daheim-
in dieser großen Stadt

Unser Fenster ist groß, wozu haben wir’s bloß,
was soll man denn seh’n?
überall Beton und Glas, nirgens ‘n Baum oder Gras,
nur öde Tristidität.
gegenlüber Fassade, alles eckig und gerade
und dahinter am Horizont,
aus den schwarzen Schornsteinen, aus den großen und kleinen
quillt schwerer Rauch-
in dieser grauen Stadt

Dann kam ein großer Tag, wir fühlten uns stark,
wir zogen durch die Stadt.
Schüler gegen Kürzung, gegen Rotstift und Schießung,
zehntausend und mehr.
Aber die Angst war im Anflug, denn Polizei im Kampfanzug
stand da mit Schlagstock, Schild und Hund.
Doch sie guckten bloß, wir fühlten uns wichtig und groß
und waren stolz darauf-
in dieser tollen Stadt

Aber das ist lange her, so ist’s längst nicht mehr,
heute triumpfiert die Gewalt,
heut’ glaubt jedermann,daß nur wer hart ist sich durchsetzen kann
und verachtet die Toleranz.
Polizisten, die knüppeln, Kernkraftgegner, die prügeln,
auf ‘ner Wand steht ‘Türken raus’,
sich keilende Fußballfans, Punx, Skins und Straßengangs
und die Nazis marschieren-
in dieser gärenden Stadt

Doch bekommt das Wort ‘Gewalt’ ‘n ganz anderes Gehalt
ist man arbeitslos,
die Flure lang und kalt, wo jeder Schritt nachhallt,
steinerne Hoffnungslosigkeit.
Und man wird behandelt, als ob man die Welt verschandelt,
wie der letzte Dreck.
Demonstriert man dagegen, schreit einer einem entgegen
man solle doch erstmal arbeiten gehen-
in dieser dummen Stadt

Dann brauchst du mal Ruh’, doch auf Stille wartest du
wirklich umsonst,
es dröhnt der Verkehr, und über uns her
donnern Flugzeuge.
Polizeisirenen ertönen, Preßlufthämmer dröhnen,
aus dem Park quäkt Musik.
Es dröhnt und ächzt, es hupt und krächzt ohne Unterlaß-
in dieser lauten Stadt

Jetzt liegt die Natur in Scherben, und die Wälder verderben,
man fordert Umweltschutz,
dann fand man Dioxin, da hat man laut geschrien
nach Staat und Gesetz.
Doch die Industrie, vor allem die Chemie,
stört das alles nicht.
Die Luft voller Abgase, man atmet schon nicht mehr durch die Nase,
doch gesünder wird es dadurch nicht-
in dieser giftigen Stadt

Es dauert 90 Sekunden,
dann sind die Raketen da.
Er hätt’ lang drüber gegrübelt,
doch für ihn sei jetzt alles klar.
Er zieht an der Zigarette und sagt,
noch in diesern Jahr
packe er seine Sachen
und auf geht’s in die U.S.A.
aus dieser bedrohten Stadt,
aus dieser toten Stadt

Ich ging durch die klare Nacht, fast hätte ich aufgelacht,
das ist doch nicht wahr,
aber dann fragte ich mich, was’ hält dich eigentlich
hier in dieser Stadt.
Denn in meinen Träumen, sehn’ ich mich nach Sonne und Bäumen,
Plätze, die sind friedlich und still.
Es gibt bestimmt diese Orte, aber ohne viel Worte,
hier bin ich zuhaus-
in meiner eigenen Stadt